Die Kälte als Verbündete

Während der Sendung vom 7. Februar in den RSI-Studios(1) habe ich mich mit den Journalisten darüber unterhalten, wie die Kälte zu meiner Verbündete geworden ist. Die am häufigsten gestellte Fragelautete: „Massimo, warum badest du überhaupt im kalten Wasser?“ und meine Antwort war knapp und ehrlich:„Weil es mich glücklich macht!“. Die Kälte zu meiner Verbündete zu machen, erlaubte es mir, sie zu einer Freundin zu verwandeln, anstatt als Feindin zu betrachten.
Aber wie genau?
Seit Oktober 2015 bin ich regelmässig mindestens dreimal pro Woche der Kälte ausgesetzt und diese Praxis verändert meinen Körper.


Zu den weiteren Fragen, die mir gestellt werden: „Ist dir immer noch kalt? Sind die Schmerzen vorbei?“, lautet meine Antwort, dass sich der Schmerz, den ich fühle, wenn ich ins kalte Wasser eintauche, verändert hat, aber nicht verschwunden ist. Nur die Wahrnehmung darüber hat sich verändert. Darüber hinaus geben mir diese Signale eine hilfreiche Vorstellung davon, wann ich aus dem Wasser kommen soll!
Parallel zur Praxis begann ich, mich über die Auswirkungen der Kälte zu informieren und dem Körper zuzuhören, um eine Bestätigungdessen zu erhalten, was ich gelesen hatte. Als ich anfing, Spass bei der Ausübung zu empfinden, ging die „Kältebelastung“ einen neuen Weg. Die verblüfften Gesichter der Passanten anzuschauen, die mich fragten: „Bischt du dir sicher? Wie kalt isch denn ds Wasser?“ brachte mich zum Schmunzeln und ich antwortete: „Ja klar, es ist ein so schöner Fluss und etwa 5 Grad warm“, und die entsprechende Gegen-Antwort variierte von „Viel Glück!?“ bis „Viel Glück! Das isch verrückt“ und „Du bischmuetig!“
Auf meinem Körper zu hören, erlaubte es mir, die körperlichen Auswirkungen der Vorurteile und entsprechenden Bewertungen direkt zu erfahren.

Ein Beispiel, das mir in den Sinn kommt, ist der Ausdruck meines Bruders, mit dem ich während dem Weihnachtsessen über das Schwimmen in der Limmat gesprochen habe: Seine Schultern zogen sich zusammen, seine Hände wickelten seine Bizeps ein und er meinte: „Du bist nicht ganz dicht… BBRrrRRRR… ich habe kalt, nur wenn ich daran denke!“ Ich antwortete ihm: „Hast du Angst davor? Nimmst du es als Bedrohung wahr? Woran erinnerst du dich bei kaltem Wasser? Welche Urteile kristallisieren sich aus dieser Erinnerung heraus?“
Und…was passiert mit deinem Körper, wenn du darüber nachdenkst, dich der Kälte auszusetzen?
Jetzt, wenn ich darüber spreche oder darüber nachdenke, fühle ich sofort, wie meine Körpertemperatur ansteigt.
Obwohl sich niemand tatsächlich im kalten Wasser befindet, bereitet sich der Körper geistig darauf vor, diese Erfahrung zu erleben: Der Geist verwendet eine Form des Glaubens, der schmerzhafte/angenehme und mündliche/schriftliche/beobachtete Erfahrungen enthält.
Damit das Herz in einem neuen Rhythmus schlägt, folgt die Atmung den Informationen von Geist und Herz. Der Energieaustausch zwischen Zellen und Vitalorganen verändert dabei den Rhythmus. Die Kommunikation in beiden Richtungen folgt dem eigenen Tempo, um ein neues Gleichgewicht zu finden.

Den 16. Dezember 2018

Um zur Kälte zurückzukehren, hat mein Verstand einige der folgenden Vorurteile und Ratschläge verinnerlicht: „Wenn man ins kalte Wasser geht, ist man verrückt! Man soll vorsichtig und langsam ins Wasser treten, sonst kann es zu Blutandrang kommen! Bleib nicht zu lange im Wasser, das ist gefährlich!“
Seitdem ich dabei Spass empfunden habe, fing ich an, mich nicht von den Vorurteilen leiten zu lassen, dass diese Erfahrung wahnsinnig und für meine Verdauung oder für mein Leben gefährlich sei.
Ich habe mein ganzes Leben lang festgestellt, dass diese Urteile und Ratschläge mich eingeschränkt und blockiert haben. An diesem Punkt angelangt, ist die Kälte zu einer Alliierten und Meisterin geworden, was meine Empfindungen betrifft! Als ich während der Erfahrung mit der Kälte auf meinem Körper zuhörte, fand ich einen Weg, Blockaden in einer überwindbaren Grenze zu verwandeln. 
So schwimme ich weiterhin im kalten Wasser und tauche sogar darin.

Um mir zu bestätigen, dass die Blockade zu einer überwindbaren Grenze umgewandelt wurde, entdeckte ich einen neuen Verbündeten: den Schmerz. Gemeinsam mit der Kälte ist der Schmerz eine grosse Hilfe. Das macht mich auf die Blockade und dann auf die Grenze aufmerksam, die es zu überwinden gibt. Deshalb entscheide ich je nach Empfindung meines Körpers, wie lange ich im kalten Wasser bleiben darf.
Dieses Bewusstsein gibt mir einen Anhaltspunkt, welche Schritte ich unternehmen soll. Wenn ich ausschere, kommt ein schmerzhaftes Signal des Körpers, das mich warnt. Je schmerzhafter es ist, desto mehr bin ich auf einem gefährlichen Kurs unterwegs.
Ich schenke dem Körper und den entsprechenden Botschaften die notwendige Aufmerksamkeit und das Vertrauen, so dass die Erfahrung in vollem Einklang mit meiner Natur erlebt wird.
Ich achte auch sehr darauf, dass der Verstand nicht allzu dominant ist, da die Körpersignale weniger Platz erhalten und stumm geschaltet werden können.

Man muss die Schritte dem Tempo anpassen, das der Körper jeweils braucht, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen(2). Dies ermöglicht einer Person, sich dem nächsten Signal zu nähern und durch die Tür des Schmerzes zu gehen, um eine neue Fähigkeit des Körpers zu entdecken, die bisher verborgen war(3).

Schwebend entspannt und froh in der Limmat

Welche Schritte habe ich unternommen, um die Kälte zu meiner Verbündeten zu machen?

+ die Vorurteile erkennen, die mich beschäftigen und ich aber ändern kann. In meinem konkreten Fall fühlte ich, dass ich das kalte Wasser als Feind betrachtete, und es machte mir (und macht mir immer noch) Angst. Die Kälte zu vermeiden oder so wenig wie möglich im Wasser zu bleiben, entsprach den Wünschen und Vorstellungen meiner Eltern. Jetzt respektiere ich diese Lehren, aber mit einer anderen Einstellung.

+ Studien lesen und Belege suchen(4). Auch verstehen, was es bedeutet, Hypothermie zu erfahren und die Physiologie des Körpers zu verstehen.

+ In die Praxis umsetzen! Für den Fall, dass ich kalt gehabt hätte, stand eine Jacke in der Tasche in meiner Nähe bereit. Ich lief barfuss im Schnee oder meditierte auf der Terrasse in Hemd und Shorts. All dies diente der Vorbereitung und steigerte meine Achtsamkeit während der Kälteerfahrung, um ihre Schönheit zu schätzen(5)

Vorbereitung bevor die kälte Erfahrung
Coopzeitung/Heiner H.Schmitt Jr. – Jan 2016 – Hoch Ybrig

Die bisherige eingeschlagene Route wurde durch diese drei obengenannten Etappen definiert, die sich mit mir entwickelt haben. Diese drei Etappen sind mit meiner Erfahrung verbunden. Ich suche und finde sie und finde darin Erfrischung, natürlich immer mit dem notwendigen Respekt zu meinem Körper.
Ich muss gestehen, dass mich die Begegnung mit Wim Hof angespornt hat, nach anderen Menschen zu suchen, die mit Kälte und Atemtechniken arbeiten(2). Ich habe viele Bestätigungen über die angeborene Anpassungsfähigkeit des Körpers gefunden und wie wichtig es ist, auf die innere Stimme zuzuhören. Das Treffen mit Sabrina Wiedmer hat mir ein neuen spannenden Zugang zum Schwimmen eröffnet.

Froh während die kalte Erfahrung
Coopzeitung/Heiner H.Schmitt Jr. – Jan 2016 – Hoch Ybrig

Ein sehr wichtiger Aspekt des Körpers ist, dass er respektvoll „getestet“ werden muss, ohne etwas als selbstverständlich hinzunehmen. Jetzt lasse ich mich von meinen Gedanken nicht mehr aufhalten, aber ich versuche, sie durchzudringen und meine Bedürfnisse zu spüren.

Die Neugierde nach Erfahrungen, die ich vorher möglichst meiden wollte, hat es mir ermöglicht, glücklicher zu sein und mein Wissen zu erweitern.

Bemerkungen:
(1) Sendung Filo Diretto von 7. Februar ab 53.30 Minuten
(2) Sieh auch: Homöostase und Hormesis
(3) The Exhilarating Peace of Freediving, Guillaume Néry, TED Talks Dieser französische Freitaucher beschreibt sehr gut, wie intelligent unsere Natur und wie sich der Körper an die Umgebung anpasst. Trotz die Physiologen sagten es sei unmöglich -100m zu überholen (Minute 4, dann Minute 6, dann Minute 7.30 und 8.20).

(5) Lesen Sie auch: Urteilender und kritisierender Geist

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Massimo Martino
Dipl. Shiatsu Therapeut,
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